05.02.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{5} Jesus erwählt Philippus und Nathanael (Joh. 1,43-51)
Ende der Mikrostruktur {5} Jesus erwählt Philippus und Nathanael (Joh. 1,43-51)
Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf und niedersteigen auf des Menschen Sohn! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 1,51 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Ganz anders, als bei einem aus der Erde stammenden gewöhnlichen Menschen, der in seinem Nehmen der himmlischen Hierarchie völlig untergeordnet ist (ein Mensch kann keine einzige Sache erlangen, so sie ihm nicht aus dem Himmel gegeben wurde), richtet sich die Himmelswelt nach dem von oben kommenden Menschensohn aus.
Ebenso wie der Täufer wahrnahm, dass der Geist aus dem geöffneten Himmel auf den Auserwählten Gottes hinabstieg :Mt. 3,16:, werden die Jünger Jesu durch den geöffneten Himmel hindurch sehen und erkennen, dass die Engel Gottes auf den Sohn hinabsteigen. Letzteres gleicht also gewissermaßen der Taufe Jesu.
Laut Joh. 1,51*Joh. 20,19 entspricht der sich im geöffneten Himmel befindende Jesus sich selbst, denn er kam in den irdischen Aufenthaltsort der Jünger hinein, obwohl sie die Türen verschlossen hatten.
Hier liegt ein räumliches Spiegelbild vor, in dem die den Herrn umgebenden Jünger den Engeln Gottes gleichen.
Die der des Gott-Vaters entsprechende Lebensautorität des Menschensohns ist damit verknüpft, dass dem Herrn die Autorität gegeben wurde, zu richten.
Seine Macht, manche Wesen zu beleben und anderen das Leben zu versagen impliziert die Fähigkeit zur gerechten Rechtsprechung, und zwar auch über die sich ihm unterordnenden Engel.
An dieser Gerichtsautorität haben die ebenfalls aus dem Himmel stammenden Leibesglieder des Lammes Anteil :1.Kor. 6,3:.
Auf sie zu, als die Herrlichkeit des Sohnes, werden die Engel ebenfalls hinab- und hinaufsteigen.
Im Unterschied zu der mit Jesus nach Kapernaum hinabsteigenden genetischen Verwandtschaft, sind sie die himmlische Familie des Sohnes.
Joh. 1,51 ist das textliche Zentrum der folgenden Verspaare:
Joh. 1,47 [D4]*Joh. 2,4 [D4]; Joh. 1,41 [D10]*Joh. 2,10 [D10]; Joh. 1,39+40 [D11,12]*Joh. 2,12 [D12]; Joh. 1,24-26 [D25-27]*Joh. 3,1+2 [D26,27]; Joh. 1,15 [D36]*Joh. 3,11 [D36]; Joh. 1,12 [D39]*Joh. 3,14+15 [D39,40]; Joh. 1,9+10 [D41,42]*Joh. 3,16+17 [D41,42]; Joh. 1,5-9 [D42-46]*Joh. 3,19-21 [D44-46]
In den Joh. 1,51 zum spiegelgleichen Zentrum habenden D-Formen geht es um die Ausrichtung und Nachfolge des in seiner himmlischen Autorität zu erblickenden erhöhten Christus und um den daraus resultierenden Glauben seiner Jünger im Unterschied zum Unglauben des finsteren Babylon-Kosmos („Jerusalem-Welt“).
Hierbei spielt die Wahrnehmung („sehen“) des Menschensohns, auf den die Engel Gottes im Himmel hinauf- und hinabsteigen eine besonders wichtige Rolle, denn dieses Erkennen des verherrlichten Christus ermöglicht es, an ihn und sein Werk der Rettung zu glauben und das gesehene wesenhafte Wort anderen Menschen zu bezeugen, sodass auch sie von dem in die Welt kommenden wahren Licht erleuchtet werden können.
Zum besseren Verständnis von Joh. 1,51 muss man wissen, dass Jesus hier das Geschehen in Offb. 19,11 ankündigte, denn das von Nathanael und den anderen Jüngern Jesu wahrzunehmende „Größere“ ist die himmlische Autorität des auf dem weißen Pferd sitzenden Regenten der Regenten und Herrn der Herren, wobei seine Heerscharen auf ihn als den „Früheren“ und damit Maßgeblichen der Welt ausgerichtet sind.
Offb. 19,11 ist in der Mitte der Nachtwache „Hahnenschrei“ einzuordnen, dem Moment, in dem der in Gerechtigkeit richtende und kriegführende Christus durch den geöffneten Himmel als ein in Herrlichkeit kommender Erhöhter gesehen werden wird.
Vom Sehen des über die Engel Gottes gesetzten Menschensohns abgesehen :Phil. 2,9:, haben die Joh. 1,51 betreffenden Verspaare einen Herab- und Hinaufstieg, die Frage der Reihenfolge der Ankunft (Kennzeichen der relativen Autorität), das Zeugnis / Sagen und natürlich die Ausrichtung auf den zu vertrauenden Menschensohn gemeinsam, der das zentrale Licht seiner ihm nachfolgenden Engelherrlichkeit ist.
Joh. 1,51 [D59] <Joh. 3,34*> Joh. 5,4 [D60]
Joh. 1,51 [D294] <Joh. 8,7*> Joh. 14,12 [D292]
Joh. 1,51; Offb. 19,11
Joh. 1,51 (Joh.*Offb.) Offb. 19,11; Offb. 17,8; Offb. 21,10
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.