20.11.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{29} Jesus erweckt Lazarus zum Leben (Teil 2/2: Joh. 11,36-54)
Ende der Mikrostruktur {29} Jesus erweckt Lazarus zum Leben (Joh. 11,1-54)
Darum wandelte Jesus nicht mehr öffentlich unter den Juden, sondern zog von dort weg in die Gegend nahe bei der Wüste, in eine Stadt namens Ephraim, und hielt sich daselbst auf mit seinen Jüngern. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 11,54 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Joh. 11,1-16*Joh. 11,46-54 bildet das inhaltlich spiegelgleiche Vor- und Nachspiel des den Lazarus betreffenden Erweckungsgeschehens. Dieser Versvergleich ist ein Teil des Chiasmus in Joh. 11,1-54.
Dass die Jünger Jesu am Beispiel des Lazarus die Chance erhielten, zu glauben, ohne zu sehen :Joh. 11,15:, steht Joh. 11,45-48 gegenüber, denn die Pharisäern sorgten sich darüber, dass die Menschen wegen der vielen Zeichen Jesu, die sie sahen (zu denen auch die Erweckung Lazarus‘ gehörte) an ihn glaubten.
Dass die Jünger die prophetische Aussage Jesu über Lazarus‘ Tod nicht verstanden :Joh. 11,11-13:, spiegelt sich inhaltlich in Joh. 11,49-52 darin wider, dass Kajaphas den Pharisäern vorwarf, nicht zu begreifen, dass es besser ist, der Mensch (Jesus) stirbt, als dass die gesamte Nation verloren geht, denn diese Aussage des Hohepriesters war ebenfalls prophetischer Natur.
Hieraus ergibt sich, dass die Jünger Jesu der Nation der Juden inhaltlich gegenüberstehen.
Auch erklärt sich die zynische Aussage des ungläubigen Thomas, die Jünger mögen zusammen mit Lazarus in Judäa sterben :Joh. 11,16:.
Tiefer gesehen, wenn man Thomas‘ Statement nicht als eine Ironie auffasst, sondern als ein Ausdruck der Opferbereitschaft, um des einen Menschen (Lazarus) willen in den Tod zu gehen, erkennt man die diesbezügliche inhaltliche Spiegelgleichheit zur Aussage des Kajaphas, der die Nation der Juden retten wollte, indem er den Tod des einen Menschen (Jesus) forderte. (Sowohl Thomas als auch Kajaphas wussten nicht, was sie redeten.)
Die Kinder Gottes folgen den Weg ihres sich für sie opfernden Hauptes bis in den Tod nach.
Die Kinder des Teufels suchen hingegen die Rettung ihrer Nation, indem sie die Werke Satans tun, d. h. Jesus und dessen Nachfolger umbringen wollen :Joh. 8,44:.
Dass die Jünger den Herrn davor warnten, nach Judäa zu gehen, weil ihn dort die Juden zu steinigen suchten :Joh. 11,8:, steht Joh. 11,53 gegenüber, denn die Jerusalemer berieten tatsächlich, Jesus umzubringen.
Dass der Herr noch zwei Tage jenseits des Jordan blieb, bevor er sich freimütig dazu aufmachte, nach Judäa zu gehen, um Lazarus aufzuerwecken :Joh. 11,6:, spiegelt sich darin gegen, dass er, nach der Erweckung seines Freundes, in diesem Bereich nicht mehr öffentlich wandelte, sondern in die öde Region Ephraim kam und mit seinen Jüngern dort blieb :Joh. 11,54:.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.