06.11.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{29} Jesus erweckt Lazarus zum Leben (Teil 1/2: Joh. 11,1-35)
Als er nun hörte, daß jener krank sei, blieb er noch zwei Tage an dem Orte, wo er war. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 11,6 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Dass Jesus an dem (irdischen) „Ort“ blieb, bevor er nach Judäa ging, um seinen Freund Lazarus zu begegnen, entspricht dem Umstand, dass er zum Gott-Vater geht, um seinen Nachfolgern eine Bleibe im himmlischen Ort zu bereiten.
Der Weg zur Begegnung derer, die einander lieben führt jedoch in beiden Fällen über den Umweg des Sterben, denn weil der Herr noch 2 Tage „im Ort“ blieb, starb sein Freund, sodass ihn Jesus zum Leben erwecken konnte; und weil Jesus auf Golgatha in den Tod ging und zum Leben auferstand, konnte er diejenigen, die ihn lieben erretten und ihnen den „Vater-Ort“ bereiten.
Die bis zur Begegnung des Herrn mit dem zum Leben erweckten Lazarus liegende zeitliche Distanz von 2 Tagen spiegelt sich demnach in den 2000 Jahren wider, die vom Sterben Jesu bis zur Auferweckung, solcher, die „in ihm“ starben reichen :Ps. 90,4:.
In dieser Zeit ist uns möglich zu glauben, dass Jesus nicht „verzeitet“ (sich in seiner Ankunft verspätet), sondern alles, mag es noch so sinn- und hoffnungslos erscheinen, seinen geregelten und gottgewollten Gang geht.
Als Söhne (und Töchter) des Tages sollten wir nicht einnicken und schlafen :Mt. 25,5:. Unsere Wartezeit hat ihren ganz besonderen Sinn und Zweck.
Rein irdisch ausgerichtete Menschen können diese himmlische Bedeutung nicht wahrnehmen. Sie empören sich darüber, dass Gott diejenigen vermeintlich in Stich lässt, die ihn lieben und die er liebt. (Siehe Thomas' zynischen Kommentar in Joh. 11,16.)
Sie begreifen nicht, warum er das Todeswesen der Finsternis nicht sofort beseitigt. Sie kennen die im Umweg liegende Weisheit Gottes nicht.
Sie wissen nicht, dass sie zum eigentlichen „Ort“ führt.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.