27.08.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{44} Jesus erscheint Maria Magdalena (Joh. 20,11-18)
Jesus spricht zu ihr: Weib, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, so will ich ihn holen! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 20,15 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Dass Maria Magdalena ein zweites Mal auf ihr Weinen und Suchen angesprochen wurde, gleicht dem Umstand, dass Jesus Petrus ein zweites Mal fragte, ob dieser ihn liebt.
Marias Bereitschaft, den toten Leib Jesu erneut wegzubewegen (ihn „zu entheben“) und alles „wieder in Ordnung zu bringen“ zeugt von ihrer Liebe zum Herrn, die Petrus‘ Liebe zu ihm entspricht, die Jesus sehr wohl kannte.
Auch Petrus hatte einst bitterlich geschluchzt, nachdem er den Herrn dreifach verleugnet hatte. Auch sein Weinen wurde letztlich gestillt, als ihn Jesus dreifach rehabilitierte.
Nicht seine Gläubigen, sondern Jesus selbst „brachte alles wieder in Ordnung“.
Maria Magdalenas Liebe zu Jesus gleicht auch der Liebe der ebenfalls Maria genannten Schwester des Lazarus zu ihm, die das teure Würzöl für den Tag der Grablegung des Herrn aufbewahrte.
(Beide Marias waren auf die angemessene Vorbereitung, Pflege und den Erhalt des noch nicht gestorbenen bzw. schon toten Leibes Jesu ausgerichtet.)
Diese damals noch anstehende Beisetzung im Garten Gethsemane spiegelt sich in der von der anderen Maria vermeintlich angenommenen erneuten Grablegung Jesu wider, die der mit ihr sprechende „Gärtner“, so die Vermutung Magdalenas, an einem anderen Ort durchgeführt haben musste. (Hier stehen sich die Begriffe „Garten“ dem „Gärtner“ spiegelgleich gegenüber.)
Hierzu hätte der vermeintliche Gärtner, es war ja in Wirklichkeit der Herr selbst, den toten Leib anfassen müssen.
Dieses Anfassen des toten Leibes spiegelt sich textlich-strukturell darin wider, dass Jesus zuvor selbst das Kreuz fasste und hinaus nach Golgatha kam.
Es hat möglicherweise auch verbal damit zu tun, dass der die angebliche Vergeudung des wertvollen Würzöls anprangernde Dieb Judas die Gaben (Gelder) in der Gemeinschaftskasse erfasste :Joh. 12,6:, was im unmittelbaren Kontext zu Joh. 12,7 geschrieben steht.
Wie aus der parallelen Struktur in Joh. 20,11-18 zu ersehen ist, wiederholt sich die in Joh. 20,13a gestellte Frage nach dem Grund für das Schluchzen Marias in Joh. 20,15a.
Auf der einen Seite des Versvergleichs waren es die beiden Engel, die Maria diesbezüglich fragten, auf der anderen Seite wurde sie vom Herrn darauf angesprochen.
Die parallele Struktur endet in Joh. 20,13b bzw. Joh. 20,15b.
Auf beiden Seiten des Textvergleichs begründete Maria ihr Weinen damit, dass sie nicht wusste, wo der Leib Jesu beigesetzt wurde.
Dass „sie“ den Leib des Herrn weggetragen (DÜ: „enthoben“) hatten, wie Maria meinte :Joh. 20,13b:, entspricht ihrer an Jesus gestellten Frage, ob er, der vermeintliche Gärtner, den Leib des Verstorbenen angefasst hat :Joh. 20,15b:. (Auch hier wird der Begriff „entheben“ genannt.)
Joh. 20,15 (Joh. // Offb.) Offb. 21,4
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.