27.08.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{44} Jesus erscheint Maria Magdalena (Joh. 20,11-18)
Jesus spricht zu ihr: Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 20,17 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Dass Maria Magdalena Jesus nicht berühren durfte, ist das Gegenteil davon, dass die ebenfalls „Maria“ genannte Schwester des Lazarus die Füße des Herrn berührt hatte, als sie Jesus salbte.
(Aus der vorliegenden Spiegelgleichheit lässt sich ableiten, dass Magdalena vor dem Auferstandenen anbetend niederfiel und dabei seine Füße zu berühren suchte.)
Diese Unterlassung Maria Magdalenas steht auch dem Umstand inhaltlich gegenüber, dass Thomas später Jesus berührte.
Der Apostel bekannte Jesus als seinen persönlichen Gott, was dem Umstand entspricht, dass die Brautdarstellerin Maria (zusammen mit den Glaubensbrüdern) als ein Kind des Gott-Vaters bezeichnet wird.
Die persönliche Gottheit des Vaters gleicht also dem individuellen Gottstatus Jesu.
Der Herr begründete sein Verbot, ihn berühren zu dürfen Maria Magdalena gegenüber damit, dass er noch nicht zum Vater hinaufgestiegen war.
Maria sollte die Auferstehung Jesu und seine damals noch anstehende Begegnung mit Gott den gläubigen Brüdern im Geist künden, was sich textlich-strukturell darin widerspiegelt, dass eine andere „Maria“, nämlich die genetische Mutter Jesu, mit ihm und seinen ungläubigen irdisch-kosmischen (genetischen) Brüdern nach Kapernaum hinabstiegen.
Dass Jesus währende der Hochzeit zu Kana den Wunsch seiner Mutter (Maria) ablehnte und sie darauf hinwies, seine Stunde sei noch nicht gekommen, entspricht seiner Anordnung, die Brautdarstellerin Maria möge ihn nicht berühren, da er noch nicht zum Vater hinaufgestiegen war.
Diese Analogie kann man in ihrer Tiefe nur dann richtig verstehen, wenn man weiß, dass es im Kontext des Hochzeitgeschehens u. a. um die Stunde des Gerichtes Golgathas geht, sodass sich die Hinaufnahme Jesu an das Kreuz (das Opfer seines idealen „Weins“) in seiner Verherrlichung durch den Hinaufstieg in den Himmel inhaltlich widerspiegelt.
Die in Kana noch nicht gekommene Stunde der Schande steht also der in Joh. 20,17 ebenfalls noch nicht gekommenen Stunde der Verherrlichung Jesu gegenüber.
Maria Magdalenas Evangelium der Auferstehung Jesu, das sie ihren Brüdern im Geist kündete, entspricht der frohen Botschaft der Auferstehung des Lazarus, die ebenfalls dazu führte, dass die Menschen an Jesus glaubten.
Es gleicht auch der Freudenbotschaft aller Jünger, die Jesus, entsprechend seiner eigenen Entsendung vom Vater, in die „Welt“ schickte. (Maria stellt sie alle dar.)
Das Ziel der Verkündung der göttlichen Botschaft war, dass deren Empfänger die Wahrheit des zum Leben erstandenen Herrn erkennen.
(Dieses Erkennen und Wissen spiegelt sich darin gegen, dass Jesus in die Herzen seiner Gläubigen schaut und alles weiß und erkennt.)
Der Hinaufstieg des Auferstandenen zum Gott-Vater steht textlich-strukturell nicht nur dem Hinabstieg seiner Verwandtschaft nach Kapernaum gegenüber, sondern auch dem Umstand, dass der tote Leib Jesu vom Kreuz hinabgenommen wurde.
Er spiegelt sich zudem in der Verherrlichung Gottes durch den Drängnisweg des Petrus wider, denn Jesus musste noch durch den himmlischen Vater verherrlicht werden.
Joh. 20,17 (Joh. // Offb.) Offb. 21,2
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.