Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 21,18 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Das von Jesus angekündigte „Amen, Amen“ der Not all seiner Jünger entspricht seinem „Amen, Amen“ der auf Petrus zukommenden Drängnis.
Letztere geschieht nach dem Bild des Leidens Jesu. Ebenso wie der Herr wurde auch Petrus gegürtet, misshandelt und, nach der kirchlichen Überlieferung, gekreuzigt.
Laut Joh. 1,27*Joh. 21,18 entspricht die Unwürdigkeit des Täufers, den Sandalengurt Jesu zu lösen dem Umstand, dass sich Petrus nicht selbst gürtete.
Im Weg der Todestiefe liegt die Autorität und Herrlichkeit dessen begründet, der diesen Weg geht.
In beiden Fällen, bei Jesus und bei Petrus, fällt die Passivität der Bedrängten auf. An ihnen getan.
Selbst der tote Leib Jesu wurde zur Grablegung umbunden, d. h. es wurde etwas an ihm getan.
Wie Joh. 19,40*Joh. 21,18 zeigt, gleicht diese „Fesselung“ dem Gürten des Petrus zur Drängnis und zum Tod.
Jesus und Petrus ließen ihr Leid über sich ergehen. Für sie war nicht ihre eigene Bitte maßgeblich, denn es geschah ihnen nicht nach ihrem menschlichen Willen :Joh. 15,7; Joh. 21,18:, sondern nach dem Willen Gottes, mit dem sie sich eins gemacht hatten :Mt. 26,39+42+44:.
Es war der Greis Petrus, der durch seine fortwährende Lebensschulung dahingehend umgeformt worden war, am Ende seines Daseins als Mensch dem Willen Gottes vollkommen zu entsprechen.
Laut Joh. 9,21-23*Joh. 21,18 war dieser alte Mann jemand, der „voll ausgewachsen erblickte“ (mündig geworden war) und auch in seinem Tun das größtmögliche Liebeszeugnis ablegte.
Dennoch liegt hier keine schlichte Passivität der Bedrängten vor, sondern ein aktives Tun im Zulassen.
Es geht um die göttlich-willentlichen Annahme eines schweren persönlichen Weges, denn der Apostel gürtete sich selbst, bevor er sich ins Meer warf, um zu Jesus zu gelangen.
(Petrus‘ „Selbstdurchgürtung“ ist das komplementäre Gegenstück seiner Bindung durch andere. Beide Vorgänge bilden eine Einheit.)
Jesus opferte seine Seele auf Golgatha in einem Akt höchster Aktivität, als sie ihm dort „genommen“ wurde :Joh. 10,17+18:.
Dieses merkwürdige Neben- und Ineinander aus Aktivität und Passivität im Opfer Jesu kommt in der prophetisch-allegorischen Jona-Geschichte darin zum Ausdruck, dass der Christusdarsteller den Seemännern auftrug, ihn ins Meer zu werfen :Jona 1,12:.
Das willentliche Opfer des Herrn ist also ein Vorgang größten Tuns und untätigen Ertragens.
Auch Petrus übernahm den Willen Gottes als seinen eigenen aktiven menschlichen Willen, d. h. er setzte ihn „frei-willig“ und selbst gewollt um, indem er Menschen erlaubte, an ihm tätig zu werden, er also äußerlich gesehen inaktiv blieb.
Oberflächlich betrachtet, scheint hier eine fatale Passivität am Werk zu sein.
In Wirklichkeit liegt aber eine Vergöttlichung des menschlichen Willens im freien Gehorsam Gott gegenüber vor.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.