20.03.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{10} Jesus und die Frau aus Samaria (Joh. 4,3b-42)
Da gingen sie aus der Stadt hinaus und kamen zu ihm. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 4,30 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Das Hinauskommen der Samariter zum Aufenthalt des Christus ist das Gegenbild der Reaktion der Juden, nachdem ihnen der Geheilte Bethesdas den Namen Jesu gekündet hatte, denn die ungläubigen Irdischen verfolgten den Sohn Gottes.
Die Bleibe der Gesetzischen ist der falsche Ort, die falsche Mitte, der falsche Tempel, aus dem es für die Gläubigen Jesu gilt, hinauszugehen.
Laut dem Chiasmus in Joh. 4,3b-42 spiegelt sich das „Herr, gib mir das dieses Wasser“ der Samariterin :Joh. 4,15: in der Aufforderung der Jünger Jesu : „Rabbi, iss!“ wider :Joh. 4,31:.
Die Entscheidung der Samariterin für das göttliche Wasser Jesu steht also dem Umstand gegenüber, dass Jesus die irdische Speise ablehnte,
Dies beschreibt zusammengesehen den Prozess der äonischen Lebensfindung, der darin besteht, das geistgefüllte Wort Jesu zu verinnerlichen und gleichzeitig die der Erfüllung des Willens des Gott-Vaters nicht dienliche irdische Speise Sichars zu verwerfen.
Der Umstand, dass die Samariterin nicht mehr „hindurchkommen“ musste, um aus dem Brunnen Jakobs zu schöpfen :Joh. 4,15:, entspricht dem Hinauskommen derer, die aus Sichar herausgerufen wurden :Joh. 4,30:.
Joh. 3,2 [D32] <Joh. 3,34*> Joh. 4,30+31 [D32,33]
Joh. 3,2 dieser ´kam des Nachts zu ihm und ´sagte zu ihm: RABBiI´*, wir gewahren, dass du von Gott gekommen bist als Lehrer, und nicht e i n e r vermag*, die diese Zeichen zu tun, wdie du, du tust, so nicht der Gott mit ihm ist´. (32)
Joh. 4,30 Daher ´kamen sie heraus aus der Stadt und kamen zu ihm.
Joh. 4,31 In der Zwischenzeit erfragten ihn bittend die Jünger, indem sie sagten: RABBiI´*, ´iss! (32,33)
Rein sprachlich hängt der vorliegende Versvergleich insofern zusammen, dass Nikodemus zum Herrn kam und ihm mitteilte, dass die Pharisäer wussten, dass Jesus von Gott gekommen war :Joh. 3,2:, während es in Joh. 4,30 heißt, dass die von der Samariterin herbeigerufenen Bewohner Sichars aus der Stadt hinauskamen und zu Jesus kamen.
Eine weitere verbale Gemeinsamkeit in Joh. 3,2*Joh. 4,30+31 ist die Formulierung „sagte / sagten... Rabbi...“.
Der des Nachts aus der (großen) Stadt (Babylon-Jerusalem) zum wesenhaften Licht Gottes kommende Pharisäer Nikodemus stellt hier eine Kontrastparallele zu den aus „der Stadt“ hinausgehenden und zu Jesus kommenden Samariter dar.
Die Letzteren gingen aus Sichar-Jerusalem hinaus. Im typologischen Abraham-Modell ist diese Stadt Sodom-Jerusalem und bei Jakob Babylon-Jerusalem.
Im analogen David-Modell wird diese Stadt identifiziert, denn sie stellt sich dort selbst dar. In allen diesen allegorischen Bildern geht es um Jerusalem.
Nikodemus steht aber auch den Jüngern Jesu inhaltlich gegenüber, denn er sagte zum Herrn „Rabbi“ :Joh. 3,2: und es waren die Jünger Jesu, die ihn im zeitlichen Kontext des Hinzukommens der Samariterin ebenfalls „Rabbi“ nannten :Joh. 4,31:.
Die Wiederholung der Anrede „Rabbi“ für Jesus in Joh. 3,2 und Joh. 4,31 kann als ein Zufall abgetan werden, denn Jesus wurde öfters mit „Rabbi“ angesprochen, im Kontext der sehr detaillierten Joh. 3,34 zum spiegelgleichen Zentrum habenden textlichen Strukturen kann dieses gemeinsame „Rabbi“ jedoch nur schwerlich als ein Zufall angesehen werden.
Die scheinbar umständliche Verdoppelung des Begriffs „kommen“ in Joh. 4,30 hebt hervor, dass es des Herausgehens aus Sichar-Babylon-Jerusalem bedarf, um zu Jesus in Wahrheit kommen zu können.
Dies ist insofern wichtig zu verstehen, weil Nikodemus, das Spiegelbild der zu Jesus kommenden Samariter, seine Zugehörigkeit zum irdischen Jerusalem nicht löste, d. h. aus „Babylon“ nicht hinausging, als er zu Jesus kam, denn der Pharisäer traf Jesus nicht öffentlich, sondern heimlich nachts.
Dies stellte ein unwahrhaftiges Kommen zu Jesus dar. Nikodemus distanzierte sich nicht von der Pseudogeistlichkeit Babylon-Jerusalems, sondern sprach den Herrn als ein Vertreter dieser Stadt an („wir...“ :Joh. 3,2ff:).
Hier steht der Pharisäer also in einem scharfen Kontrast zu den Samaritern, die Jesus nicht allein als den von Gott Entsandten bekannten und ihm bestätigten, dass Gott mit ihm sein muss, ebenso wie dies Nikodemus dem Herrn gegenüber tat :Joh. 3,2:, sondern ihn als den Christus annahmen, was eine klare Abgrenzung von den „Wassern“
(= Reden/ Lehre) des irdischen Jerusalem darstellt.
Nikodemus wurde kein Jünger Jesu. (Zumindest zum damaligen Zeitpunkt war er es nicht gewesen.)
Die an den Herrn glaubenden Samariter erhielten hingegen die nicht aus Maß gegebenen Geistreden des Gott-Vaters :Joh. 3,34: und sie wurden durch sie von oben her in ein neues höheres Leben gezeugt.
Nikodemus blieb in der geistlichen Ignoranz des irdischen Jerusalem gefangen.
Als ein Teil des finsteren Jerusalem-Kosmos :Joh. 1,10: konnte er das wahre, aus dem Himmel kommende Licht nicht zur Kenntnis zu nehmen :Joh. 3,12:.
Der Pharisäer war zwar zu Jesus gekommen, er hatte es aber versäumt, Babylon zu verlassen.
Aus dieser Erklärung geht logisch hervor, dass die Samariterin den 12 Jüngern des Herrn entsprechen. (Siehe hierzu u. a. die Deutung zu Joh. 6,19*Offb. 14,20; Offb. 15,2.)
Beide Gruppen stellen das dem irdischen Jerusalem gegenüberstehende und aus dessen Welt hinausgehende himmlische Jerusalem dar.
Die aus Sichar herauskommenden Samariter und die Nachfolger Jesu sind ein typologisches Bild der wahrhaftig, d. h. bekennend aus Babylon hinausgehenden Braut des Lämmleins. (Siehe hierzu das Kapitel „17q Das aus Babylon herausgehende Volk Gottes“ im Artikel „Die große Babylon und ihr Bräutigam“.)
Der von Gott gekommene Lehrer :Joh. 3,2: ist der, den der Vater schickte und die Reden Gottes spricht :Joh. 3,34: und u. a. darin dessen Werke vollendet :Joh. 5,36:.
Joh. 3,2 weist also auf den D-Punkt von Joh. 3,2*Joh. 4,30+31 hin.
Es gilt den Christus in seiner Göttlichkeit wahrzunehmen und zwar trotz seiner Existenz als Mensch und gerade in dieser Niedrigkeit seines Hinabstiegs :Joh. 3,2:, was dem Pharisäer Nikodemus nicht geschenkt wurde.
Joh. 4,30, das spiegelgleiche Gegenüber von Joh. 3,2, zeigt, dass die Gegenbewegung zur Ankunft dessen, der in die Welt entsandt wurde das Hinauskommen seiner Braut aus Babylon ist.
Der Sohn Gottes gibt denjenigen die Fülle der Geistreden des Gott-Vaters, die seinen Hinabstieg darin widerspiegeln, dass sie Babylon verlassen und ihm entgegengehen.
Das „Kommen“ Jesu in Joh. 3,2 spiegelt sich in dem zweifachen „Kommen“ in Joh. 4,30 wider. Es vervollständigt es in der Begegnung von Bräutigam und Braut.
Die Ankunft des Pharisäers Nikodemus bei Jesus unterscheidet sich aber vom doppelten Kommen der Samariter.
Sie ist keine Begegnung von Bräutigam und Braut, sondern das Zusammentreffen von Licht und Finsternis. Die Finsternis, das kosmische „Wir“ der Pharisäer, kannte den Christus nicht.
Der Herr wollte das von seinen Jüngern in Sichar erworbene Essen :Joh. 4,8+31: nicht zu sich nehmen, denn er hatte eine bessere Speise, als die irdische Nahrung dieser Stadt,
Seine Speise, das was Jesus Leben gab, war, dass er den Willen des ihn Sendenden tat :Joh. 4,34:, d. h. die himmlischen Geistreden des Gott-Vaters in den Kosmos („Jerusalem-Welt“) sprach :Joh. 3,34: und die gesamte Schöpfung durch sein Opfer rettete :Joh. 3,17:.
Ähnlich wie beim Unterschied zwischen dem Wasser aus dem Brunnen Jakobs Sichar-Jerusalems und den lebenden Wasser Jesu ist auch die Speise aus Sichar unvergleichlich weniger wert, als die himmlische Speise des Herrn.
Wie der vorliegende Versvergleich zeigt, ist das, was jeweils nach der Anrede „Rabbi“ folgt das, was Babylon dem Herrn anbot. Jesus lehnte es jedoch ab, d. h. er „aß“ diese Speise nicht.
In Joh. 3,3-21 „zerpflückte“ er jedes Detail der Worte des zu ihm kommenden Pharisäers :Joh. 3,2:.
Er ließ nichts davon übrig, sondern setzte der „irdischen Speise“ des Nikodemus minutiös die aus dem Himmel stammende Rede des Gott-Vaters entgegen :Joh. 3,34:.
Dies entspricht in Joh. 4,32-38 der Ablehnung Jesu, die Speise Sichar-Babylons zu sich zu nehmen.
Dieses Abstandnehmen von Babylon-Jerusalem stellt eine Heiligung des wesenhaften Hauptes dar.
Dargestellt wird sie bei Abram darin, dass er im typologischen „Punkt-Mitternachts-Geschehen“ einen Anteil an der Kriegsbeute eines Königs verweigerte, der über die hurerische Stadt Sodom regierte, denn Sodom stellt, ebenso wir Sichar, das irdische Jerusalem dar :1.Mose 14,23; Offb. 11,8:.
Nachdem Abram seinen Neffen Loth aus der Hand des babylonischen Feindes befreit hatte, nahm er vom Herrscher Sodoms nichts in Empfang.
Da laut der Erklärung zu Joh. 4,29+30*Offb. 18,4 die Samariterin ebenfalls prophetisch-typologisch an Punkt „Mitternacht“ aus Sichar-Jerusalem herauskam (im Abraham-Modell in der Rettung Loths dargestellt, der gleicherweise die 144 000 versinnbildlicht, die aus Babylon-Jerusalem hinausgehen), wird hier die richtige Einordnung von Joh. 4,28-30 in das „Punkt-Mitternacht-Geschehen“ der jetzigen Endzeit bestätigt.
Die ebenfalls zu diesem Zeitpunkt erfolgende Versiegelung der 144 000 könnte in 1.Mose 14,18-20 dargestellt sein.
An Punkt „Mitternacht“ geht also die Braut hinaus, wird versiegelt und lehnt das Angebot Babylons ab. Der vom Gott-Vater bestimmte Weg der Tiefe wird vom Herrn weitergegangen.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.