27.03.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{11} Die Heilung des Sohns eines Amtsträgers (Joh. 4,43-54)
Er kam nun wieder nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte. Und es war ein königlicher Beamter, dessen Sohn lag krank zu Kapernaum. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 4,46 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Wie die strukturelle Verbindung von Joh. 1,31 und Joh. 3,23 zu Joh. 4,46 zeigt, entsprechen die Wasser Kanas den relativ minderen Wassern des Täufers Johannes, der Jesus Israel als den Messias offenbarte.
Die Stadt Kapernaum spielt in Joh. 6,17 wieder eine Rolle.
Wie der jeweilige Kontext von Joh. 4,46 und Joh. 6,17 offenbart, geht es bei der Rettung der Jünger aus ihrer Seenot um die Belebung des sich in Kapernaum befindenden, im Sterben liegenden Sohn eines königlichen Beamten.
Joh. 2,9-12 [D47-50] <Joh. 3,34*> Joh. 4,46-48 [D48-50]
Joh. 2,9 Als aber der Anfängliche* des dreitägigen Gelages das zu Wein werdengemachtwordene Wasser schmeckte, und nicht gewahrt hatte, woher dieser Wein ist – aber die Diener hatten's gewahrt, die, die das Wasser geschöpft hatten –, lässt der Anfängliche* des dreitägigen Gelages dem Bräutigam Ruf ertönen
Joh. 2,10 und sagt: Alljeder Mensch setzt vorher den idealen* Wein vor, und wann gleichsam sie berauscht wurden´, den geringeren; du aber, du hast den idealen* Wein bis jetzt gehütet.
Joh. 2,11 Den diesen Anfang* der Zeichen tat der JESuU´S in KANA´, dem Ort des GALILAe´A, und er offenbarte die Herrlichkeit*, und es treuten* seine d Jünger* hin* ihn.
Joh. 2,12 Nach diesem ´stieg er hinab hinein in KAPhARNAuU´M, er und seine d Mutter und seine d Brüder, und dort blieben sie nicht viele Tage. (47-50)
Joh. 4,46 Daher kamen sie nochmals hin den Ort KANA´, den des GALILAe´A, wo sie das Wasser zu Wein gemacht hatten. Es war aber irein Regentlicher, wdessen d Sohn schwach war, in KAPhARNAuU´M,
Joh. 4,47 der hörte, dass der JESuU´S eintraf, aus dem JuUDAe´A hin das GALILAe´A kommend. Daher ´kam er zu ihm und erfragte bittend, af-dass er ´hinabsteige und seinen d Sohn heile; denn dieser schickte* sich* an* wegzuertoten*.
Joh. 4,48 Daher ´sagte der JESuU´S zu ihm: So ihr nicht Zeichen und Wunder ´gewahret´, nicht, ja nicht, treut´* ihr. (48-50)
Die sprachlichen und inhaltlichen Parallelen im vorliegenden Verspaar gehören einem spiegelgleichen Textaufbau an, der die Stationen Jesu auf seinem Weg in Judäa, Galiläa und Samaria betrifft.
Diese Stationen sind in einer spiegelbildlichen Anordnung aufgebaut, wobei hier auch parallele Strukturen vorhanden sind.
Der Weg Jesu führte über Kana in Galiläa :Joh. 2,1: (Hochzeit) nach Kapernaum :Joh. 2,12: und Jerusalem :Joh. 2,13ff:.
Dann begegnete Jesus Nikodemus :Joh. 3,1-21: und, nach einem Zwischenspiel :Joh. 3,22-Joh. 4,3:, in Samaria :Joh. 4,4-42:, auch der Samariterin und deren Mitbewohner Sichars, wobei Nikodemus in einem scharfen Kontrast zur samaritischen Frau steht.
Danach ging die Reise Jesu wieder zurück nach Galiläa :Joh. 4,43:, im Bibeltext wird auf das Geschehen in Jerusalem und anlässlich der Hochzeit zu Kana zurückgeblickt :Joh. 4,45+46: und auch Kapernaum ist wieder ein Thema :Joh. 4,46:.
Der textliche Kern dieser spiegelbildlich angeordneten Abschnitte der Reise Jesu sind die Taufen des Johannes in Judäa :Joh. 3,22-26: und Jesu :Joh. 3,22+26; Joh. 4,1+2:, bis der Herr das Berggebiet Judäas wieder verließ :Joh. 4,3:.
In diese „Taufgeschichten“ textlich eingebettet, geht es um die Befähigung des entsandten Johannes bzw. um die Autorität Jesu :Joh. 3,28+34: und um den himmlischen Ursprung der Macht des Herrn :Joh. 3,27+31+34:.
Zwar bildet Joh. 3,34 den D-Punkt von Joh. 2,9-12*Joh. 4,46-48, bei genauerer Betrachtung ist die Mitte der Textstruktur jedoch in Joh. 3,31 zu finden, denn Joh. 3,34 spiegelt sich, zumindest was die Entsendung Jesu bzw. des Täufers Johannes angeht, in Joh. 3,28 wider.
Gleichwohl ist Joh. 3,34 rein rechnerisch das Zentrum von Joh. 2,9-12*Joh. 4,46-48, was durch die vielen sprachlichen Gemeinsamkeiten des Versvergleichs bestätigt wird.
Auf beiden Seiten geht es um die Verwandlung der Wasser zu Wein im Kana Galiläas, das Kommen Jesu zu diesem Bereich, seine Zeichen, die er tat und um den Ort Kapernaum, wo Jesus nur wenige Tage blieb bzw. überhaupt nicht hinging, weil der königliche Beamte dieser Stadt darauf vertraute, dass dies für die Heilung seines kranken Sohns unnötig ist.
Wenn man Joh. 3,31 als das textliche Zentrum von Joh. 2-Joh. 4 annimmt, ist der inhaltliche Kern dieser Inklusion der Gegensatz zwischen dem, der von oben (Himmel) kommt und in seinem Sprechen die Wahrheit Gottes bezeugt, weil er die überreich gegebenen Geistreden des Gott-Vaters von sich gibt :Joh. 3,34: (er ist also der von Gott Entsandte :Joh. 3,34:) und solchen, die auf der Erde sind, also aus der Erde stammen und nur die Dinge der Erde sprechen können, sodass sie das wahre Zeugnis des Himmlischen nicht annehmen und sich in diesem Tun als solche erweisen, die dem Sohn nicht gehorchen und dadurch besiegeln, dass Gott unwahr ist :Joh. 3,33:, weswegen der göttliche Zorn auf ihnen bleibt :Joh. 3,36:.
Dieser Konflikt des Himmlischen (Jesus) und denjenigen, die irdisch, d. h. am Sichtbaren orientiert sind durchzieht die gesamte vorliegende Inklusion in Joh. 2,9-Joh. 4,48.
Er zeigt sich u. a. in der Zeichengläubigkeit der Juden, die sich vom Glauben, der allein auf dem Wort Jesu beruht fundamental unterscheidet.
Der Pharisäer Nikodemus war ein „Zeichengläubiger“ :Joh. 3,2:.
Die Samariterin glaubte hingegen allein wegen des Wortes Jesu :Joh. 4,25+26:.
Das Zeichen des Glaubens auf der Basis der Schrift :Joh. 2,22: unterscheidet sich grundlegend von allen irdisch-äußerlichen Zeichen :Joh. 2,18:, die Jesus in Galiläa und Judäa tat, die jedoch nur selten zu einem bleibenden Glauben derer führten, die sie sahen :Joh. 4,48; Joh. 6,26+27:.
Der königliche Beamte aus Kapernaum ist hierzu ein leuchtendes Gegenbeispiel eines Menschen, der glaubt, weil er dafür das himmlische Wort dessen zur Basis hat, den Gott entsandte :Joh. 4,50:.
Ebenso wie der Glaube aus Zeichen dem Glauben aus dem lebenden Wort des Gott-Vaters gegenübersteht, vertraute Jesus den Zeichengläubigen Jerusalems nicht :Joh. 2,24:, wohingegen er sich den Samaritern Sichars annäherte, die seinem Wort vertrauten :Joh. 4,40:.
Dies ist so, weil Jesus wusste, „was in dem Menschen war“ :Joh. 2,24+25:.
Der Herr kannte den Glauben derer, die an ihm, als an den vom Vater Entsandten festhielten :Joh. 3,34; Joh. 6,29:, und er erwiderte ihnen ihr Vertrauen zu ihm.
Den Pseudogläubigen des irdischen Jerusalem kam er hingegen nicht entgegen. Jesus hielt von ihnen Abstand :Joh. 7,8:.
Der Konflikt zwischen Geist und Fleisch kommt im Unterschied des idealen Weins Jesu zu den Reinigungswasser der Pharisäer und dem geringeren Wein des Alten Bundes zum Ausdruck :Joh. 2,10:.
Er wird durch Nikodemus' Unfähigkeit, das Himmlische wahrzunehmen bezeugt :Joh. 3,10: und im diesbezüglichen Kontrast im Verhalten der Samariterin gesehen :Joh. 4,25+26:.
Der Konflikt zwischen dem Himmlischen und dem Irdischen manifestiert sich im Glauben solcher, die das Wort des Vaters annehmen und im Unglauben und Unwissen derer, die das himmlische Licht nicht als von oben kommend in Empfang nehmen, weil sie dem Kosmos („Jerusalem-Welt“) entstammen und (als Ungläubige) in dessen Finsternis verbleiben wollen.
Die Gläubigen Jesu stammen hingegen von oben. Sie sind ein Teil des himmlischen Jerusalem.
Die Gegnerschaft des Göttlichen zum irdischen Geist Satans entzündet sich an einer einzigen Person und an der individuellen Stellung zu ihr: an Jesus Christus, den Gott in die Welt schickte, damit er seine Reden bezeugt, die der Sohn bei ihm sieht und hört.
An der Haltung zu diesen göttlichen Reden Jesu scheiden und offenbaren sich die Geister der Gläubigen bzw. Ungläubigen.
Hier gibt es keine Kompromisse.
Es besteht allein die Wahl zwischen Finsternis und Licht, zwischen Tod und Leben.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.