26.06.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{20} Der mehrfache Versuch, Jesus festzunehmen (Joh. 7,10-36)
Doch von diesem wissen wir, woher er ist; wenn aber der Christus kommt, so wird niemand wissen, woher er ist. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 7,27 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Im strukturellen Kontext von Joh. 7,27 geht es um das Sehen bzw. Nichtsehen des Ursprungs Jesu in Hinsicht auf seine Existenz als Mensch oder seine Herkunft aus Gott.
Die ungläubigen, d. h. Jesus nicht liebenden Juden kannte ihn als den Sohn Josefs von Nazareth und konnten es sich nicht vorstellen, dass er der aus dem Himmel hinabgestiegene Christus ist, denn von diesem wusste angeblich niemand, woher er stammt.
Da den Pharisäern bekannt war, dass Jesus in Galiläa geboren war und sie der Ansicht waren, dass aus diesem Bereich kein Prophet Gottes „erwachen“ würde, konnte der Herr ihrem Schriftverständnis zufolge nicht der Messias sein.
Tatsächlich wussten die Juden nicht, woher Jesus kam und wohin er ging.
Ihre diesbezügliche Unkenntnis wird darin dargestellt, dass nur wenige begriffen, woher der anlässlich der Hochzeit zu Kana von Jesus hervorgebrachte idealen Wein stammte.
Die Irdischen sehen nur das Irdische und vermögen das Himmlische Gottes nicht wahrzunehmen. Sie sind Blinde, die behaupten, zu erblicken.
Ihr Urteil ist ein ungerechtes Richten nach dem Sichtbaren.
Ihre Beschränktheit ist eine Begrenztheit des Fleisches. Deshalb ist ihre „Meinung“ über die Gerechtigkeit und Wahrheit Jesu irrelevant.
Bereits sein erstes Zeichen anlässlich der Hochzeit zu Kana hätte eigentlich ausreichen müssen, ihn als den zu erkennen, der die Herrlichkeit Gottes offenbart.
Stattdessen stritten die Juden darüber, ob der Christus nicht noch mehr Zeichen tun würde als Jesus. Selbst auf ihrer eigenen Ebene des Materiellen erwiesen sie sich also als ignorant :Joh. 3,12:.
Die Fragen der Menschen nach dem „Wie“ und „Woher“ Jesu spiegeln in Joh. 7,15*Joh. 7,25-27 einander. (Siehe hierzu Joh. 7,10-36.)
Der Grund für die Lehrautorität Jesu war für die über ihn staunenden Juden ein Rätsel :Joh. 7,15:.
Wie konnte er ohne ein priesterliches Schriftstudium das Wort Gottes in einer solch großen Vollmacht und mit solchem Freimut sprechen :Joh. 7,26:?
Wieso duldete die Jerusalemer „Geistlichkeit“ seine öffentliche Lehrtätigkeit? Waren die Pharisäer und Schriftgelehrten einverstanden damit?
Dass die Hohepriester keines seiner Worte theologisch entkräften konnten :Joh. 7,26:, gleicht dem Umstand, dass Jesus vom jüdischen „Klerus“ in keinem einzigen Punkt geistlich belehrt wurde (die Priester und Pharisäer „sprachen“ also auch in dieser Hinsicht nicht zu Jesus) und er dennoch offensichtlich eine göttliche Lehrautorität besaß, sodass zu vermuten war, dass er der Christus ist.
Das „Wie“ der Kenntnis der Schriften konnte nur so beantwortet werden, dass Jesus eine himmlische Herkunft haben musste. Das „Wie“ führt also zwangsläufig zum „Woher“.
Ironischerweise gelang diese einfache logische Ableitung der „hinauf-blickfähigen“ (sehenden) Samariterin am Brunnen Jakobs bei Sichar, den „theologisch“ gestandenen Schriftgelehrten Jerusalems fehlte aber das nötige geistliche Auge dafür :Joh. 4,25:.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.