19.06.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{19} Der Unglaube der Brüder Jesu (Joh. 7,1-9)
Gehet ihr hinauf zum Fest; ich gehe nicht zu diesem Fest hinauf, denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 7,8 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Es sollte noch ein halbes Jahr dauern, bis die Zeit Jesu erfüllt sein würde, sodass er nicht zum Laubhüttenfest des irdischen Jerusalem hinaufsteigen wollte.
Die Zeit seines Opfers auf Golgatha war noch nicht gekommen. (Dennoch machte sich der Herr nur wenig später zum Jerusalemer Fest auf, wohlwissend, dass er zu diesem verfrühten Zeitpunkt noch nicht festgenommen werden würde, also darauf vertrauend, dass seine Stunde noch nicht beginnen würde.)
Statt selbst nach Jerusalem zu gehen, rief Jesus seine leiblichen Brüder vorerst dazu auf, selbst zum Fest hinaufzusteigen, denn sie waren für das Werk der Bosheit nicht an eine bestimmte Zeit gebunden.
Der Hinaufstieg der ungläubigen , d. h. Jesus nicht liebenden Juden nach Jerusalem ist das Gegenbild davon, dass die gläubigen Hellenen anlässlich des späteren Passahfestes dorthin gingen.
(Dies ist insofern paradox, weil die Griechen in den Augen der Juden als ungläubig galten. „Glaube“ und „Unglaube“ wird aber dadurch definiert, wie man zu Jesus steht.)
Dann wäre die Stunde der Verherrlichung Jesu gekommen, in welcher der Gott-Sohn zum himmlischen Jerusalem des Gott-Vaters hinaufsteigen würde, aus dem er ursprünglich stammte. Nun war diese Zeit aber noch nicht da.
Wie aus Joh. 7,1-9 hervorgeht, steht die an Jesus gerichtete Aufforderung seiner Brüder, er möge zum Fest im „Kosmos“ genannten irdischen Jerusalem hinaufsteigen :Joh. 7,2+3: der an sie vom Herrn ergehenden Aufforderung gegenüber, selbst „hin Richtung auf das dieses Fest“ hinaufzusteigen :Joh. 6,8:.
Dass sich Jesus in Hinsicht auf die Qualität seiner angeblich verborgenen Werke im Jerusalem-Kosmos offenbaren sollte :Joh. 7,4, spiegelt sich in Joh. 7,7 darin wider, dass er über die tatsächlich verborgenen Werke der „Welt“ bezeugte, dass sie böse sind, d. h. ihm war bekannt, wie sie beschaffen waren.
Offenbaren und Offenbarsein stehen sich hier inhaltlich gegenüber. Jesus und seine kosmischen Brüder bilden ein Gegensatzpaar. Er steigt nicht zum irdischen Jerusalem hinauf. Sie tun es aber.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.