28.12.2019 | "Nicht ich, sondern Christus in mir" (Johannes Lohmann) | In „Verschiedene Themen“ | von Freddy Baum
>>> 3. "Nicht ich!" (Einleitung)
>>> 3a Das Ich-Leben als Tod des wahren Lebens (1)
>>> 3b Babel (2)
>>> 3c "Ich bin der Herr, mein Gott!" (3)
>>> 3d Das Ich als Selbstsucht und Selbstliebe (4)
>>> 3e Das Ich als Verzagtheit und Unglaube (5)
>>> 3f Das Ich auf dem Thron der Selbstgerechtigkeit (6)
>>> 3g Nicht ich (7)
>>> 3h Aus Wasser und Geist (8)
>>> 3i Eine neue Menschheit (9)
>>> 3j Was bedeutet "Nicht ich"? (10)
>>> 3k Die Befreiung des Sklaven (11)
>>> 3l Der Glaubensblick auf Christus (12)
>>> 3m Das Lamm (13)
>>> 3n Du Lamm! (14)
Der folgende Text wurde dem wertvollen Büchlein "Nicht ich!" von Johannes Lohmann entnommen. In ihm wird auf dem Punkt gebracht, um was es beim Glauben geht.
Glaube ist nicht Selbstverwirklichung und auch keine religiöses oder "spirituelles" Wachstum.
Beim wahrhaften Glauben geht es einzig um das "Du" Gottes und um das Aufhören des "Ichs" des Menschen.
Dies bringt Johannes Lohmann treffend und eindrücklich auf den Punkt.
Gemeinschaft mit Gott
ist das Höchste für Sein Geschöpf,
ein geheiligtes,
gegenseitiges Sich-Geben und Empfangen,
ein Anteilhaben am Innersten,
ein Alles-Gemeinsam-Haben.
Denn wenn mein ICH verschwindet
und ER mein Alles ist,
wenn ER an sich mich bindet,
mein Heiland, Jesus Christ,
dann ist mein Herz entbunden
von aller seiner Last;
ich hab Dich, Gott, gefunden,
der Du erlöst mich hast.
Johannes Lohmann
Wenn diese kleine Schrift aus der Feder Johannes Lohmanns mehr als 70 Jahre nach ihrem ersten Erscheinen und einige Jahre nach dem Auslaufen der letzten Auflage in überarbeiteter Form noch einmal aufgelegt und empfohlen wird, so geschieht das aus der Überzeugung, dass sie gerade heutigen Lesern etwas zu sagen hat - den nach Christus Fragenden und Suchenden wie auch den an Christus Gläubigen, den jugendlichen Christen und auch den älteren, den Anfängern auf dem Glaubensweg wie auch den Gereifteren.
Eine wachsende Anzahl "moderner" Bücher zum Glaubensleben enthält mehr oder weniger unverhüllt die Botschaft von der Selbstverwirklichung des Menschen als dem Weg zum Heil. Insbesondere die steigende Welle von Büchern zur "Lebenshilfe" verbreitet psychologisch gefärbte Ratschläge an Christen, die alle darauf hinauslaufen: Liebe dich selbst! Nimm dich selbst an; erkenne, wie wertvoll, wie gut und schön du bist! Verwirkliche dich selbst, lebe dich aus! Mache das Beste aus dir; erkenne und gestalte deine Begabungen, finde zu einem erfolgreichen, erfüllten Leben, in dem du voll auf deine Kosten kommst!
Damit verbunden wird Gott dargestellt als ein bedingungslos liebender Vater, der alle Menschen so annimmt, wie sie sind, der will, dass wir im Leben nur Gutes bekommen und unser Leben voll genießen können. Der Herr Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, wird einseitig nur als Helfer und Heiler geschildert, durch den der heutige Mensch Erlösung finden könne von allen Übeln des Lebens - von Krankheit, Minderwertigkeitsgefühlen, Ungeliebtsein, Stress, Belastungen in Beruf und Familie, von persönlichen Nöten und gesellschaftlichen Missständen, von Sinnentleerung und Lebenskrisen.
Dieses "Evangelium von der Selbstverwirklichung" klingt so wohltuend und gut in den Ohren der Menschen. Es vermittelt ihnen genau den Gott, den sie sich wünschen, genau den Heiland, den sie suchen, den sie gebrauchen können, um ihr Eigenleben zu verschönern und zu verbessern. Nur, es hat einen ernsten, entscheidenden Fehler: Es steht im Widerspruch zu dem wahren Evangelium, der ewigen, von Gott selbst geoffenbarten Heilsbotschaft der Heiligen Schrift. Im Gegensatz zu diesem offenbart es nicht den ewigen, heiligen, allein wahren Gott, den Schöpfer, Herrscher und Richter über alles, der Seinen Sohn für uns Menschen gab; es offenbart nicht Jesus Christus als Herrn über alles, als Lamm Gottes, das sündige Menschen mit Seinem Blut erkauft hat aus einem ewigen Tod und einem ewigen Gericht; und es offenbart auch nicht den Weg Gottes, durch den wir allein zum Frieden und zur Erlösung kommen: das Kreuz.
Das moderne "Evangelium von der Selbstverwirklichung'' ist daher ein andersartiges, ein falsches Evangelium, das nicht retten und nicht wirklich helfen kann; es ist ein feingesponnener religiöser Betrug, Menschengebilde, frommes Wunschdenken. Es führt Suchende nicht zu dem wahren Herrn und Erlöser Jesus Christus, sondern zu einem anderen, menschengemachten "Jesus"; es bringt gläubigen Christen, die ihrem Herrn nachfolgen und in Seiner Gemeinschaft wachsen wollen, nur Verwirrung, Abwege und geistlichen Verlust. Es ist im tiefsten das genaue Gegenteil von dem, was eigentlich den Kern des wahren, biblischen Evangeliums ausmacht: das Wort vom Kreuz (vgl. 1. Korinther 1, 18-31; 2,1-5).
Diese Botschaft vom Kreuz, die durch Paulus und die anderen Apostel verkündigt wurde und im Neuen Testament so klar bezeugt ist, hat immer schon den Widerstand der Menschen hervorgerufen.
Gerade das Wort vom Kreuz möchte der Mensch nicht gerne hören. Warum? Das Kreuz ist ein ernstes Zeichen des Gerichts; es redet von Verurteilung und Strafe, von Tod und Verdammnis. Ja, es redet davon, dass der heilige und gerechte Gott, der Himmel und Erde schuf und allen Menschen Leben gab, über diese ganze Menschheit, die von Ihm losgelöst und in Auflehnung gegen Seine Gebote und Ordnungen lebt, das Todesurteil sprechen musste.
Die Heilige Schrift sagt es unmissverständlich: Das Gerichtsurteil des Kreuzes gilt eigentlich uns Menschen. Wir alle haben den Tod, die ewige Trennung von Gott verdient durch unser selbstsüchtiges Eigenleben, durch unsere Weigerung, in völliger Hingabe und Gehorsam allein für Gott zu leben, wie es eigentlich unsere Bestimmung wäre. Der Mensch in seinem natürlichen Zustand ist weit davon entfernt, dass Gott ihn annehmen könnte; im Licht der alles durchdringenden Liebe Gottes erweist er sich als verfinstertes, hochmütiges, ungehorsames, trotziges, rebellisches, liebloses, unwahrhaftiges Wesen, voller Eigenliebe und Bosheit, vergiftet von der Anmaßung der Schlange, sein zu wollen wie Gott.
Gottes Liebe und Gnade gegen die Menschen zeigt sich deshalb darin, dass Er anstelle von uns verdorbenen, gottfeindlichen Menschengeschöpfen Seinen eigenen, geliebten Sohn in das Gericht des Kreuzes sandte, damit Er für uns die Folgen unserer Sünde trage und durch Sein vergossenes Blut unsere Schuld getilgt werde. Wenn wir nun wirklich zu Jesus Christus kommen wollen, um von Ihm Rettung zu empfangen, Frieden mit Gott und ewiges Leben, dann müssen wir, bildlich gesprochen, zum Kreuz kommen, und dort Gottes Gerichtsurteil über uns und unsere Sünden annehmen. Erst wenn wir erkennen, dass Er, das Lamm Gottes, dort unser gerechtes Gerichtsurteil trug, erkennen wir Ihn wirklich als unseren Retter und Erlöser.
Erst die Erkenntnis unserer eigenen Verderbtheit und Sündhaftigkeit in den Augen eines heiligen Gottes führt uns auch zur rechten Erkenntnis des vollkommenen Sühnopfers.
Jesu Christi, des Blutes des Lammes, durch das wir losgekauft sind von dem Verderben, das sonst auf uns gewartet hätte, wenn wir ohne Christus vor Gott Rechenschaft über unser Leben hätten geben müssen. Und diese gottgewirkte Erkenntnis, "dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt" (Römer 7, 18) ist auch eine Voraussetzung dafür, dass wir als solche, die Christus angehören, einen Blick für die zweite Wahrheit bekommen, die uns über das Kreuz Jesu Christi geoffenbart ist: "dass unser alter Mensch [d. h. unser sündiges Eigenleben] mitgekreuzigt worden ist, auf dass der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen" (Römer 6, 6).
Erst wenn wir beginnen, zu erkennen und vor Gott anzuerkennen, dass unser ganzes Eigenwesen und Ichleben mit seiner Eigensucht und seinen rücksichtslosen Begierden, mit seinem Streben nach Selbstentfaltung und eigener Größe für Gott völlig verderbt und untauglich ist, unfähig, Seine Liebe auszuleben und Seinen Willen zu verwirklichen, können wir auch anfangen zu verstehen, was für eine kostbare, befreiende Wahrheit in dem Bekenntnis des Paulus liegt: "Ich bin mit Christus gekreuzigt; ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch [im Leib], das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst, für mich dahin gegeben hat" (Gal. 2,20).
Gottes Weg der Erlösung von unserer Sündennatur zielt nicht dahin, unser sündiges Eigenleben zu reinigen, zu verbessern, zu "dressieren", damit es Seinen Maßstäben genüge. Nein, Gott hat unser Selbstleben am Kreuz gerichtet und beiseite gesetzt; Er hat uns eins gemacht mit dem Kreuzestod Jesu Christi, um unseren alten Menschen, unser Ichleben in den Tod zu bringen, außer Wirksamkeit zu setzen, damit Seine neue Schöpfung in uns zum Zuge käme - Christus in uns. Wir sollen im Glauben damit rechnen, dass unser Fleisch samt seinen Lüsten und Begierden gekreuzigt worden ist (vgl. Galater 5, 24) und dass wir nunmehr, als neue Geschöpfe in Christus, für Gott leben in Christus Jesus unserem Herrn.
Unsere Erlösung, unser neues Leben, unsere Kraft werden wir also niemals in uns selbst finden, sondern allein in unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Wenn wir als gläubige Christen erkennen, was uns in Ihm alles geschenkt ist, dass wir in Ihm Anteil haben an Seinem Auferstehungsleben, ja mitversetzt sind ins Himmlische, und er beständig in uns wohnt und wirkt durch seinen Heiligen Geist, dann kann sich gesundes geistliches Leben bei uns entfalten, dann wachsen wir im Glauben und in der Heiligung, lernen das Alte, Sündige abzulegen und zu überwinden und das Neue im Glauben anzuziehen.
Im Vertrauen auf Ihn, im Wegschauen von uns selbst und im Aufschauen auf Ihn, in der praktizierten Lebensverbindung mit Ihm, der unser Leben und unsere Kraft ist, unsere Weisheit und Gerechtigkeit und Heiligung, in dem wir die ganze Fülle haben, strömt uns Seine Liebe, Seine Kraft, Seine Gnade so zu, wie wir es brauchen. In Ihm haben wir alles, in uns selbst nichts. So geschieht wahre Christusnachfolge, die immer auch Kreuzesnachfolge ist, die uns in Leiden, Zerbruch und innere Kämpfe führt, damit wir los werden vom Ich, von unserer Selbstverwirklichung, und immer mehr aus Ihm und für Ihn leben. So werden wir in das Ebenbild Christi gestaltet und können dem Lamme folgen, wohin es auch geht.
Diese kostbaren Wahrheiten der Heiligen Schrift sind in unserer Generation weitgehend verlorengegangen. Manche mögen noch um sie wissen - doch wie wenig werden sie wirklich ausgelebt! Wie vielfältig macht sich das ungekreuzigte, ungerichtete Eigenleben bei uns bemerkbar und zerstört unsere Lauterkeit und Christusnachfolge, zerstört den priesterlichen Dienst im Hause Gottes, der Gemeinde, und verhindert, dass Christus in uns Gestalt gewinnen kann und wir die Liebe, Demut und Sanftmut, den Gehorsam und die Selbstverleugnung unseres Herrn Jesus Christus widerspiegeln!
Gerade deshalb hat uns das Büchlein von Johannes Lohmann auch heute noch etwas zu sagen. In eindringlicher Sprache stellt dieser gereifte Diener Gottes uns den ganzen Schaden des Ichlebens, der Selbstverwirklichung im christlichen Leben wie auch in der ganzen Menschheit vor Augen. In klaren Worten sagt er uns die biblische Wahrheit, dass wir unser Eigenleben nicht aufpäppeln, verbessern und entfalten sollen, sondern das Gericht Gottes am Kreuz über es annehmen, es in den Tod Christi geben und uns selbst verleugnen sollen.
Seine Worte zeigen, dass er diese geistlichen Einsichten nicht aus theologischen Büchern erworben hat, sondern aus dem Wort Gottes selbst in den Lektionen eigenen Leidens und Zerbruches gelernt hat. Als ein in der Hilfe an Leidenden erfahrener Seelsorger vermag er darum gerade auch solchen Christen weiterzuhelfen, die selbst in seelischen und geistlichen Nöten stehen und von den seichten "Lebenshilfe"-Büchern und psychotherapeutischen Angeboten unserer Tage in die Irre geleitet wurden. Statt menschengestrickte Rezepte und Ratschläge zu verteilen, führt er uns dahin, Ihn anzuschauen und tiefer zu ergreifen, der allein unsere Erlösung sein kann: Jesus Christus, den Herrn, das Lamm Gottes.
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Will jemand mir nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren, wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.
(Mt. 16,24f.)
Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.
(Mt. 11,28-30)
Deshalb beuge ich die Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist am inwendigen Menschen, dass Christus wohne durch den Glauben in euren Herzen und ihr durch die Liebe eingewurzelt und gegründet werdet, auf dass ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe; auch erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft, auf dass ihr erfüllt werdet zur ganzen Fülle Gottes. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde, die in Christus Jesus ist, zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
(Eph. 3, 14-21)