28.12.2019 | "Nicht ich, sondern Christus in mir" (Johannes Lohmann) | In „Verschiedene Themen“ | von Freddy Baum
Das Ichleben entfaltet sich in den verschiedenen Menschen in verschiedenen Richtungen. Die grundlegende Form ist der Hochmut. Neben dem Hochmut steht der Eigenwille.
Ein Atheist sagte einmal: "Nicht Gott hat den Menschen, sondern die Menschen haben Gott gemacht." Und ein anderer: "Die verschiedenen Völker haben sich verschiedene Götter gemacht; ich habe mir auch meinen Gott gemacht, und der bin ich. Ich bin der Herr, mein Gott!”
Du sagst, das ist Gotteslästerung! Du hast recht, schauerliche Gotteslästerung - aber wie ist es denn? Wenn du ehrlich sein willst - ist dir nicht die Hauptsache, dass du es gut und angenehm hast, dass dir keiner zu nahe tritt, keiner dich übersieht, keiner dich ärgert? dass dir im Hause und im Geschäft niemand an den Wagen fährt, sondern alles deinen Willen tut? dass es dir in deinem Leben nach deinen Wünschen geht?
Was ist das anders als "Ich bin der Herr, mein Gott!"? Du bist der Gott, dem du dienst. Gott selbst hat für dich im Grunde doch nur die Bedeutung, dass Er helfen soll, damit dein Wille geschieht und deine Wünsche erfüllt werden und deine Pläne - deine "frommen" Pläne - sich verwirklichen. Und wenn Er es nicht tut, dann kehrst du Ihm vielleicht gar den Rücken und zürnst mit Ihm wie Jona: "Billig zürne ich bis in den Tod" (Jona 4, 9).
Dann wird Er abgesetzt, dann heißt es: Wie kann der Herr das zulassen? Wie kann Gott so ungerecht sein? Und dein lieber Nächster bekommt deinen verwundeten Eigenwillen, dein verärgertes Ich zu schmecken. "Ich bin der Herr, mein Gott!" muss nicht manche Frau sagen: "Ja, das ist die Religion meines - frommen - Mannes!"? Und muss nicht vielleicht der Mann eben dieser Frau sagen: "Das ist die Religion meiner - sehr frommen - Frau!"? Und manche Eltern: "Das ist die Religion meines - bekehrten - Kindes!"? Es ist schlimm, wenn ein solcher "Gott" im Hause ist oder gar zwei; aber drei solche Götter im Haus machen es sicher zur Hölle.
Wie entsetzlich früh zeigt sich das Ich auf dem Thron im Menschenherzen! Wie allgewaltig ist es oft schon in den kleinsten Kindern (als ein Spiegel für die Eltern?)! Wie sind sie so lieb, wenn sie ihren Willen bekommen! Aber wenn sie ihn nicht bekommen? ...Wie können Kinder, um ihr Ich durchzusetzen, schon so grausam sein!
Eltern ihrerseits können nichts Grausameres tun, als ihren Kindern den eigenen Willen lassen. Allerdings wollen manche Eltern das Ich des Kindes überwinden, indem sie ihm ihr eigenes Ich entgegensetzen, und das ist vergeblich. Nie wird ein Ich durch ein anderes überwunden, höchstens äußerlich. Auch Gottes Gewalt überwindet uns nur äußerlich.
Die Lamechsart steckte in uns von Kind an: "Ich habe einen Mann erschlagen für meine Wunde und einen Jüngling für meine Beule" (1. Mose 4, 23). Mit anderen Worten: "Ich bin der beste Mensch von der Welt; aber wehe dem, der mir an meinen Wagen fährt - da kenne ich mich selbst nicht mehr!" Da wird getobt und gelästert, wenn dem eigenen Willen etwas in die Quere kommt.
Hast du auch schon geflucht, wenn es nicht nach deinem Willen gehen wollte? Das ist das Ich auf dem Thron! Sieh in dein tägliches Leben - woher Zorn, Neid, Streit, Murren, Verdrießlichkeit, Verzagtheit? Es geht nicht nach deinem Willen. Wie viele hat der ungebrochene Eigenwille ins Irrenhaus gebracht! Da helfen keine Kuren. Die Ichherrschaft öffnet den Dämonen die Tür. Durch sie werden wir Knechte Satans. Wer sein Inneres nicht geben will unter die Herrschaft des Heiligen Geistes, gibt es unter die Herrschaft der Dämonen, die Geist, Seele und Leib verwüsten. Und Jesus Christus? Er konnte sprechen: "Vater, Ich komme, zu tun Deinen Willen; dazu hast Du Mir den Leib bereitet" (Hebräer 10, 5ff.). Das war der Sieg in der Versuchungsgeschichte: Lieber verhungern, als auch nur um Haaresbreite den Willen des Vaters missachten und die eigene Macht gebrauchen; lieber den Leidensweg gehen, als eigenwillig etwas an sich reißen; lieber ans Kreuz gehen und Jahrtausende warten auf die Herrschaft über alle Reiche der Welt, als ein Geschöpf auf den Thron erheben und anbeten.
Und Er führte das "Ja, Vater" restlos durch, auch dann noch, als es Ihn zum Fluch machte und Ihn in der Nacht der Gottverlassenheit hängen ließ. Da sehen wir, was Entthronung des Ich und Thronerhebung Gottes ist.
Und du? Und ich? - Wir mögen mit den Zähnen knirschen, wenn es hart auf hart geht, Gottes Wille gegen unseren Willen; frei werden wir nur, wenn wir heruntersteigen vom Thron und unseren Willen restlos an Gottes Willen ausliefern in der Gewissheit: Sein Wille ist immer besser für uns als unser Wille, ist immer vollkommene Liebe.
3a Das Ich-Leben als Tod des wahren Lebens (1)
3b Babel (2)
3c "Ich bin der Herr, mein Gott!" (3)
3d Das Ich als Selbstsucht und Selbstliebe (4)
3e Das Ich als Verzagtheit und Unglaube (5)
3f Das Ich auf dem Thron der Selbstgerechtigkeit (6)
3j Was bedeutet "Nicht ich"? (10)
3k Die Befreiung des Sklaven (11)