28.12.2019 | "Nicht ich, sondern Christus in mir" (Johannes Lohmann) | In „Verschiedene Themen“ | von Freddy Baum
Die ernsteste Form der Ich-Krankheit ist die Selbstgerechtigkeit.
Du suchst den alten Menschen, das eigene Ich, zu verbessern, zu entwickeln, zu erziehen, religiös, fromm zu machen, zu heiligen, bis es vollkommen, bis es Gott ist, statt es ans Kreuz zu bringen, dass es als Götze abgetan und gerichtet sei. Da ist das Herz noch nicht in der Gegenwart der verzehrenden Heiligkeit Gottes durchbohrt: "Wehe mir, ich vergehe, denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen und habe den Herrn Zebaoth gesehen mit meinen Augen!" (Jesaja 6, 5; vgl. Apostelgeschichte 2, 37). Du hast Gottes unerbittliche Gerechtigkeit noch nicht in dem scharfen Licht von Golgatha geschaut: Gott hat Ihn hingehängt zum Erweis Seiner Gerechtigkeit (Römer 3, 25f.). Und du hast dich selbst noch nicht erkannt in dem Heilandswort: "Dieser mein Sohn war tot" (Lukas 15, 24).
Welch eine Torheit, einen Toten vervollkommnen, heiligen zu wollen! Erst muss ein neuer Mensch auferstehen und da sein. Es ist eine Fortsetzung der Auflehnung gegen Gott, wenn man das Ich erlösen und heiligen will; es muss mit Christus gerichtet, gekreuzigt, gestorben und begraben sein. Dann kann ein neuer Mensch auferstehen. Einen Leichnam muss man nicht schmücken, sondern begraben. "Wir wissen, dass unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt ist" (Römer 6, 6). "Lüget nicht untereinander, nachdem ihr den alten Menschen ausgezogen habt" (Kolosser 3, 9). Es ist Selbstgerechtigkeit, wenn du dich für besserungsfähig hältst. Da ist das Ich noch nicht ganz herunter vom Thron in den Tod. Die eigene Gerechtigkeit hat noch nicht der Gottesgerechtigkeit Platz gemacht.
Das Ich erhebt sich ebenso in Selbstgerechtigkeit, wenn es vermeint, selbst die Erneuerung, Umwandlung, Heiligung, Erlösung mit der Zeit - und sei es durch Äonen (Ewigkeiten) hindurch, durch stets neue Menschwerdungen - bewirken zu können, durch Stählung des eigenen Willens, durch Anspannung der eigenen Energie, durch Befruchtung der eigenen Phantasie, durch Vertiefung, Versenkung in sich selbst, durch Hinabsteigen in die weiten Gefilde des eigenen Unterbewusstseins, durch Konzentration, Autosuggestion usw., durch Kasteiung, Entsagung, "christliche Liebe", gute Werke u. a. Die eigene Tugend und Frömmigkeit ist dann das Mittel der Erlösung wie bei den Pharisäern. Da geht Gott nicht mit, denn das Ich sitzt auf dem Thron, und Gott steht daneben.
Diese ganze Selbstgerechtigkeit ist eine Lüge. Man gibt vor, etwas zu sein, was man nicht ist, und etwas zu haben, was man nicht hat. Die ganze "Religion" ist da nur eine "Rebellion" gegen Gott, ein Mittel, das Ich zu erhöhen und zu erhalten: "Sie trachten, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, und sind also der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht untertan" (Römer 10, 3).
Das sind so einige Züge, wie in den verschiedensten Formen und Richtungen von Natur das Ich auf dem Thron des Menschen (und der Menschheit) sitzt. Jede Sünde wurzelt hier. Woher die Zerstörung aller Harmonie, innere Zerrissenheit, Unfriede? Gott ist im Kampf gegen das Ich, und der Mensch möchte es retten.
Vielleicht gibt er einige, ja - wenn es sein muss - alle Außenfestungen preis, verzichtet auf Tanz und Theater, Alkohol und Tabak, Frauenliebe und Ehe, kehrt der "Welt" den Rücken, lädt sich immer neue, strengere Gesetze auf verzichtet darauf, in brutaler Weise sein Ich auszuleben und anderen gegenüber durchzusetzen, geht womöglich ins Kloster - doch letztendlich tut er das alles nur, um immer weiter an sich herumzumachen, sich um sein Ich zu drehen, um sich selbst und anderen zu gefallen und alle eigenen Kräfte auf die Selbsterlösung zu konzentrieren - nur um sein Ich zu retten. Das bin ich!
3a Das Ich-Leben als Tod des wahren Lebens (1)
3b Babel (2)
3c "Ich bin der Herr, mein Gott!" (3)
3d Das Ich als Selbstsucht und Selbstliebe (4)
3e Das Ich als Verzagtheit und Unglaube (5)
3f Das Ich auf dem Thron der Selbstgerechtigkeit (6)
3j Was bedeutet "Nicht ich"? (10)
3k Die Befreiung des Sklaven (11)